UPnorth | Per Rad, Ski und Wanderschuhen von der Haustüre in Staufen (Süddeutschland) bis ans Nordkap
Ein Abenteuer zwischen dem Alltag
UPNorth 002 // Husum – Dänemark Westküste – Norwegen bis Oslo
Vor ziemlich genau einem Jahr hievte ich mein Fahrrad hier in Husum in dem Zug. Das Ende der ersten Etappe von UpNorth 001. Mit leicht veränderter Beladung (Link zur Packliste) schiebe ich den Drahtesel nun wieder aus dem Zug auf den Bahnsteig und setze mich in den Sattel. Ohne viel wahrzunehmen kurble ich einfach 3h und komme an einen kleinen Grenzübergang nach Dänemark. Erst hier realisiere ich: Es geht weiter, weiter nach Norden! Wieder eine Auszeit zwischen dem Alltag. 8 Tage liegen vor mir, in denen meinen Tagesablauf durch Radfahren, Essen und Schlafen inmitten hoffentlich großartiger Natur bestimmt ist.
Der windige Norden und das Gefühl der Freiheit
Die Wolken flitzen am Himmel entlang und der Horizont ist weit. Die salzgeschwängerte Luft riecht so anders als zu Hause und schon nach wenigen Stunden bin ich im Reisemodus angekommen.
Es geht anfangs noch viel auf Asphalt voran. Danach fahre ich mehrere Tage auf viel Schotter, Sand und Wanderwegen – ganz so wie ich es liebe.
Schon das erste Camp unter einem verwitterten Dach gleich hinter dem Deich ist Natur pur.
Sonnenuntergang ist um diese Jahreszeit 21:30 und gegen 5 Uhr ist es schon wieder taghell. Schnell finde ich einen guten Modus um maximale Unabhängigkeit zu erleben. 1x pro Tag gehe ich in den Supermarkt und decke mich mit Tagesproviant ein. Einfache Dinge wie Brot, Käse, Äpfel und Süßigkeiten. Da ich überwiegend frei bzw. wild campen möchte, ergibt sich so eine total flexible Etappenplanung – eigentlich nämlich gar keine. Ich fahre morgens recht früh los, koche mir nach den ersten 20km an einem schönen Platz Kaffee und frühstücke in Ruhe. Den Tag verbringe ich auf dem Rad, mit Pausen wie es dem Körper und der Seele gut tuen und gegen Nachmittag schaue ich auf der Karten-App (OsmAnd) nach einem vielversprechenden Fleck Erde in greifbarer Nähe. Vielversprechend bedeutet: Wenig Besiedelung und möglichst wenig Wege.
Diese Taktik hat sich auf der ganzen Strecke bis Oslo bewährt.
Volltreffer Lagerplätze
Gleich am zweiten Tag bin ich so über Trampelpfade in einen Bereich des Dünengürtels genau zwischen zwei Ferienhaus-Siedlungen gefahren und lande einen Volltreffer. Der Strand leer, die Sonne taucht langsam im Westen in die Nordsee, das Bier (mittels nasser Socken und Verdunstungskälte) auf Trinktemperatur gebracht, und das Zelt auf dem Dünenkamm. Ich feiere das Leben.
Der Morgen steht dem Abend in nichts nach: Wabernde Nebelschwaden ziehen durch die Sandberge und darüber lacht schon wieder die Sonne. Ich pflüge durch den Sand und über Schotterpisten weiter voran. Zwischendurch fahre ich über markierte Radwege. Die Dänen lieben offensichtlich das Simple und haben teils einfach bis zu 15km lange schmale Asphaltbänder in die Landschaft gelegt. Höhenmeter nahezu 0 und ausser dem beständigen Gegenwind hindert den Radreisenden nichts daran, sich voll und ganz dem Flow hinzugeben und einfach nur zu kurbeln. Es hat sich ja schon herum gesprochen: Dänemark ist ein Fahrradland. Ich kann das vollumfänglich bestätigen. Es ist wundervoll. Weiter nördlich wird es etwas hügeliger und es gibt zunehmend größere Waldflächen. Duftende Kiefernwälder mit sandigem Boden. Der Vorwärtsdrang wird etwas gebremst. Meine Reifen sind eindeutig zu schmal für dieses Terrain. Aber egal – ich habe die letzten beide Tage so viele Kilometer hinter mich gebracht (2x 160km), da kann ich nun etwas trödeln. Teilweise verläuft der Küstenweg direkt am Strand entlang. Nahe der Wasserlinie ist dieser so hart, dass sich auch dort ganz gut fahren lässt.
Gegen Abend zieht am Horizont ein Gewitter auf. Ich möchte noch einkaufen und mir dann ein Ziel auf der Karte heraus suchen. Gerade als die Wetterfront deutlich näher rückt, fahre ich an einer offenen Schutzhütte mitten in einem Waldstück vorbei. Die ist es. Das ist klar. Optimale Lage, Wasser und eine Feuerstelle gibt es auch. Nur habe ich noch kein Feierabendbier und das Essen ist auch etwas knapp. Der Platz ist aber so ideal, dass ich ohne zu zögern 8km in den letzten Ort zurückfahre und Proviant aufstocke. Beim ersten Tropfen bin ich wieder an der Schutzhütte. Und schwubs sitze ich unter dem Vordach, koche mir eine Suppe, schaue dem Regen zu und freue mich über lokal gebraute Bierspezialitäten. Der Topf wird heute automatisch vom Regen gereinigt – eine optimale Outdoor-Waschmaschine. Nach einer Stunde ist die willkommene Abkühlung zu Ende ich kuschle mich in den Schlafsack. Nur das Innenzelt gegen Krabbelgetier habe ich in der offenen Schutzhütte aufgestellt. Ein perfektes Lager für die Nacht.
Auf nach Norwegen
In Expresstempo absolviere ich noch eine 60km Straßenetappe um die Fähre von Hirtshals in Dänemark nach Larvik in Norwegen zu erreichen. Die konsequent nach Norden gerichtete Route verlasse ich hier leicht Richtung Osten um dem Etappenziel Oslo entgegen zu steuern. Norwegen empfängt mich mit Temperaturen auf Mittelmeerraum-Niveau und felsdurchsetzter zerklüfteter Küstenlandschaft. Eine Bilderbuch-Umgebung. Hier im Süden ist das Land sehr dicht besiedelt. Ich suche mir für die erste Nacht einen offiziellen Campingplatz und lande nach kurzer Internetrecherche an Ula‘s Strand. Ein autofreier Naturcampingplatz in einer malerischen Bucht. Das Abendessen bereite ich am Meer auf einem Felsen sitzend. Schon wieder fühle ich mich wie im Paradies. Fast eine Woche bin ich nun unterwegs und kann es kaum glauben, wie schnell und einfach man ein „Outdoor-Abenteuer“ zwischen dem Alltag erleben kann. Ich genieße die Einsamkeit und das alleine sein. Dies ist natürlich immer ein zweischneidiges Schwert: Einige Gedanken dazu habe ich auf der Fähre verfasst und Steffi gesendet. Einen Auszug möchte ich euch nicht vorenthalten:
Der Schlüssel zum Glück
Auf dem Schiff sitzen. Stinkend, unrasiert und auf dem Boden neben der Steckdose. Ich liebe es! Im Bauch der Superfähre stehen hunderte blank gewienerte Hightechblechkisten und bringen ihre Besitzer nachher in das gebuchte Hotel oder auf einen komfortablen Campingplatz. Daneben mein verdrecktes Reiserad. Ich werde mir ein Stück Wald mit Meerblick in einem Fjord suchen und dort zelten. Deshalb sitze ich jetzt neben der Steckdose auf dem Boden. Das Mobiltelefon möchte Saft. Warum liebe ich das? Es ist Freiheit. Die ganzen spießigen Pärchen und Familien haben nahezu ausnahmslos einen Stock im Arsch, sind dauergestresst und genervt. Die Gesichtszüge sind angespannt und die Konversation oft unentspannt. Ich kann tun und lassen was ich will.
Ist das der Schlüssel zum Glück? Nein!
Niemand kümmert sich und hört zu. Niemand braucht meine Liebe und Fürsorge. Niemand ruft in der Nacht: „Papa, Kuscheln!“ Niemand sagt: „Komm, lass uns die Kinder ins Bett bringen und uns mit ner Flasche Wein vor die Glotze flacken“.
Übrigens, in drei Wochen sitze ich wieder auf diesem Schiff. Dann mit Auto, zwei Kindern und Ehefrau an Bord. Wir werden auch super spießig wirken oder sein. Eventuell auch gestresst, weil die Fahrt anstrengend war. Oder jemand quengelt. Wahrscheinlich sitzt dann jemand anderes am Boden und begutachtet uns. Er wird sich ebenfalls über seine Freiheit freuen.
Der Schlüssel zum Glück ist, wenn man beides hat.
Danke an meine Familie. Für die Freiheit hier sein zu dürfen und für das Gebraucht- und Geliebt-werden zu Hause.
Anstrengung lohnt sich
Weiter kurble ich an der Küste entlang und sammle ordentlich Höhenmeter ein. Das ständige Auf und Ab zehrt am Körper. Eigentlich benötige ich einen Ruhetag, um die Muskulatur zu regenerieren. Das Zeitfenster ist aber eng gesteckt und die Familie und die Arbeit warten. Für die letzte Nacht vor Oslo hätte ich gerne nochmals ein Lagerplatz in der Einsamkeit. Nach einiger Zeit Suchmaschinen-Befragung mache ich eine Windschutzhütte auf einer kleinen Halbinsel ausfindig. Sie wurde vom DNT https://deutsch.dnt.no/ errichtet und die spärlichen Infos sind vielversprechend: Alleinlage, Seezugang, Feuerstelle und Wald. Einen kleinen Haken hat die Sache: Ich muß das Rad inklusive Gepäck einige Kilometer durch dichten Wald und über Stock und Stein schieben, oft auch tragen oder über umgestürzte Bäume wuchten. Aber: Die Anstrengung lohnt sich. Der Platz ist der Hammer! Auch hier am letzten Abend pflege ich wie üblich mein Fahrrad, sitze einfach da, trinke, esse und wenn der Himmel von glutrot über blau zu schwarz gewechselt hat ,lege ich mich in meine Daunenhülle und lasse den Tag Revue passieren.
Oslo und wie es weiter geht
Die Schlussetappe von UpNorth 002 beginnt mit Schieben und Tragen und endet auf einem Radweg neben der Schnellstraße in der Hauptstadt von Norwegen. Ein dichtes Getümmel und eine erstaunliche Anzahl Hochhäuser säumen den Weg zum Hotel. Einen Abend verbringe ich hier im Getümmel, verpacke mein Rad in einen alten Karton. Den habe ich in einem Radladen um die Ecke bekommen. Neben meinem Stahlross hat auch das ganze übrige Gepäck darin Platz. So bin ich mit Handgepäck und einem 30kg Paket am Folgetag in 5 Stunden mit dem Flieger zu Hause. Der Alltag hat mich wieder. Aber so ganz unter uns: Schon nach zwei Tagen erwische ich mich dabei die Etappe UpNorth 003 zu planen. Es wird nochmal eine Fahrradetappe bevor dann eine Wintertour mit Ski und Gepäckschlitten folgt. Fazit: Es geht weiter und bleibt spannend. Wann? Wenn sich das nächste freie Zeitfenster zwischen dem Alltag auftut.
Infos
Körperliche Vorbereitung: Seit der letzten Etappe habe ich kontinuierlich einen einigermaßen guten Trainingszustand halten können. Ich fahre von Frühjahr bis Herbst ca. 100 – 200km Rad in der Woche. Im Winter deutlich weniger, dafür verbringe ich aber einige Stunden pro Woche auf der Loipe. Einige Wanderungen gesellen sich auch noch dazu. Da ich leidenschaftlich viel und gerne Esse und im Job aktuell viele Stunden vor dem Rechner sitze, ergibt das zwar keine optimalen körperlichen Voraussetzungen. 5 bis 10 Kilogramm weniger Speckreserven auf den Rippen wären optimal. Aber: Es reicht um die Zeit, auch bei erhöhter Anstrengung, genießen zu können. Fazit: Jeder, der gesund ist und nicht nur auf der Couch abhängen möchte, kann so eine Tour auch machen. Viel Spaß dabei!
Fakten: ca. 843km | ca. 60% davon auf Schotter, Sand oder Wanderwegen | 7 Tage Fahrzeit
Zum Bericht der ersten Etappe: UpNorth 001
Zum Bericht der dritten Etappe: UpNorth 003
Zum Bericht der vierten Etappe: UpNorth004.1
Zum Bericht UpNorth004.2
Zum Bericht UpNorth005
Eine detaillierte Ausrüstungsliste findest du hier:
AUSRÜSTUNGLISTE UpNorth Etappe 2