• UpNorth 004.1

    Bikepacking an der Küste in Norwegen

UpNorth 004.1 Bikepacking

( an der Küste in Norwegen )

Dieser Bericht ist Teil des Projekts: UpNorth | Per Rad, Ski und Wanderschuhen von der Haustüre in Staufen (Süddeutschland) bis ans Nordkap

Ein Abenteuer zwischen dem Alltag

Wie immer. Fast.

Fast wie ein Neustart. Aber nur fast. Denn das Café in Trondheim ist noch das gleiche wie vor drei Jahren. Damals saß ich hier und habe die 3. Etappe mit Zimtschnecken (kanelbolle) und einigen Cappuccini ausklingen lassen. Zwei Sommer mit Corona und gesundheitlichen Eskapaden liegen hinter mir und jetzt die nächste Radetappe weiter nach Norden vor mir.
Das Zeitfenster ist brutal eng und das Koffein gepaart mit dem Zucker der Backwaren treibt mich direkt nach dem Start auf dem Rad rasch nach Norden.
Der Verkehr, auch auf den Nebenstraßen ist oft dicht getaktet. Die Norweger sind meist recht entspannt und mit viel Sicherheitsabstand unterwegs, aber zahlreiche Wohnmobile häufig mit Kennzeichen aus Deutschland, sind von Beginn an grausig. Enges Überholen oder zu frühes Einscheren gibt es mehrfach pro Tag. Vorweg: Das begleitet mich auf der gesamten Etappe und führt sogar zu einer Routenänderung. Aber dazu später mehr.

Blüten, Rad, Schiff und Sonnenschein. Sozusagen Traumstart.

Norwegen – das Land der Wasserfälle

Traumlandschaften

Küstenflair

Outdoorküche

Grün, grau, braun

Ich hatte zu Hause so gut es geht trainiert und mein Tagesziel waren um die 150 km. Das ist für mich recht ambitioniert. Die Höhenmeter „läppern“ sich ziemlich. Aber es ist fast durchweg Asphaltiert, somit in Verbindung mit kurzen Nächten (dunkel ist es gegen 23 Uhr und ab 4 Uhr wird es wieder hell) machbar. Ich folge meist dem EuroVelo 1. Immer wieder durch Fährpassagen unterbrochen. Die Straßen sind nicht durchgängig. Aufgrund der Topografie ist das nahezu unmöglich. Zu tief haben sich Fjorde, Buchten und Wasserläufe in die Küstenlinie gefressen.
Das ergibt die wirklich faszinierende Landschaft in dieser Gegend. Mal sanft geschwungen, mal schroff und steil. Mal saftig grün, nach der nächsten Kuppe mystisch grau und braun.

Grüngrau

Pause

Natur

Das mit den Fähren ist übrigens ziemlich gut. Da gibt es oft Café und Waffeln. Der Café eher schlecht – aber egal. Die Waffeln himmlisch. Insbesondere mit Rahm und pappsüßer Marmelade. Da läuft die Kurbelei zum nächsten Schiff dann fast von alleine. Zweimal gönne ich mir mein persönliches Entlastungspacket. Das sind in meinem Fall längere als nötige Fährpassagen. Ich erschleiche mir so eine Tagesetappe auf dem Rad. Das ist zwar nicht ganz im Sinne des Projekts, aber liebe Leser:innen: Das Wetter war zu Beginn gnädig, wechselte am zweiten Tag aber auf „Martin – du bekommst es dreckig hier“. Das bedeutet Regen. Regen. Regen. Und Wind. Und Kälte. Deutschland leidet unter einer Hitzewelle, Norwegen unter dem schlechtesten Sommer seit Jahren. Ich möchte mich nicht beklagen – die Freiheit einige Tage alleine durch diese Landschaften zu Kurbeln ist Freiheit und meine Leidenschaft. Egal bei welchem Wetter.
Aber alleine steht im Satz weiter oben. So war das geplant und das brauche ich von Zeit zu Zeit auch. Das ist in Norwegen entlang der Küste im Sommer in der Realität aber eher alleine zwischen ziemlich vielen Wohnmobilen auf der Strecke. Du ahnst es schon: ich bin etwas desillusioniert. Auf der Etappe von Oslo nach Trondheim war es schon nicht einfach, schöne holprige Strecken abseits der Zivilisation zu finden, aber die Küstenroute in Norwegen ist dann doch eher die klassische Radreisestrecke mit vielen zivilisatorischen Einflüssen. Das muß nicht unbedingt schlecht sein.

Tiptop hingedreht

Da ich aber Natur pur suche, ändere ich die Planung für die nächsten Etappen. Ich werde früher als geplant in die Wanderschuhe steigen. Nicht erst ganz im Norden wie ursprünglich vorgesehen sondern jetzt direkt. Gleich. Oder zumindest fast. Zuerst hänge ich 3h am Mobiltelefon und mache rudimentäre Routenplanung. Nordkalottleden heißt das neue Zauberwort. Statt Bodø, Lofoten, Senja und weitere touristische Hotspots auf dem Weg nach Norden mit dem Rad zu erkunden heißt Sulitjelma mein neues Etappenziel für UpNorth 004.1. Das ist ein idealer Einstiegspunkt um über Schweden durch die Wildnis weiter nach Norden zu gelangen.

Das Gute daran ist, dass ich für dieses Jahr eine Einladung zum Fjällräven Classic bekommen habe. (Danke an die ADCO Freiburg und Fjällräven!) Diese Strecke liegt auch auf dem Weg nach Norden. Somit mache ich direkt UpNorth 004.2 und nächstes Jahr hole ich die Verbindungsetappe über den Nordkalottleden zu Fuß nach. Du siehst: etwas hingedreht – aber im Prinzip ein top Plan.

Meerblick

Stop mit Radfahren auf der Strasse

Auf der Fähre

Mal wieder maximale Sicherheit

Wald

Durchziehen

Mit Gegenwind und Regen drücke ich die zwei verbleibenden Tage mit jeweils 14h im Sattel durch. Von außen betrachtet wirkt das nun nach gehetztem Vorwärtsdrang. Ich habe es aber meist als sportliche Herausforderung genossen. Und diese Etappe mit „Druck“ durchzuziehen ermöglicht mir das Zeitfenster für die Trekkingtour frei zu schaufeln.

Immer bremsbereit bleiben

Mobiles Heim

Refill

Die Engel im mobilen Eigenheim

Für die Rückfahrt nach Trondheim hatte ich ein Zugticket von Bodø. Aber dort fahre ich jetzt ja gar nicht hin. Gut, dass es Gertröd (so hörte sich das zumindest für mich an) und Jakub aus Trondheim gibt. Beide im Ruhestand und mit einem großen weißen fahrenden Eigenheim ausgestattet. Übrigens genau so eins, weshalb ich die meiste Zeit der Strecke in Warnweste auf dem Rad gefahren bin. Bei einem Kaffee-Zimtschnecken-Refill-Stop 13 Kilometer vor meinem Ziel fragen sie mich: „What the hell are you doing here? It’s raining cats and dogs and the road is a dead end. Should we take you with us?“ Scherzhaft sage ich: Ja, gerne die paar hundert Kilometer nach Trondheim zurück wäre gut. Ich habe sonst morgen total Stress mit der Bahn usw. „No problem. But we drive directly because we are invited to dinner“
Wer da 2 Minuten später das total verdreckte Rad auf dem Heckträger verstaut hatte und sich dann einige Stunden in plüschigem Ambiente des 90iger Jahre Womos ausgeruht hat, kannst Du Dir bestimmt denken.
Die beiden Engel sind sogar noch einen kleinen Umweg gefahren, um mich direkt zu unserem Bus zu fahren. Mit diesem bin ich nämlich nach Trondheim angereist, da Steffi mit den Kids nachkommt und wir noch eine „Kanutour in die Wildnis“ machen und einige Offroadstrecken in Skandinavien erkunden. Aber jetzt erst mal umpacken. Lappland und eine 110 Km Trekkingtour mit Fjällräven wartet. Sieht ganz nach einem erlebnisreichen Sommer aus.
Also hier weiterlesen: UpNorth 004.2 Trekking und „Mit der Familie und Kanus in die Wildnis“.

Am Wegesrand

Im Fluss

Infos

Aufmerksame Leser:innen haben es bemerkt: Aus meiner Sicht ist der EuroVelo 1 von Trondheim bis Bodø landschaftlich sicherlich eine Reise wert. Aber wer Natur pur und einsames Unterwegs sein sucht, ist zumindest innerhalb der Ferienzeiten fehl am Platz.

Fakten: 603 km | 5944 Höhenmeter | nahezu 100% Asphalt | Übernachtung: 5x Zelt (4x frei, 1x Campingplatz)

Zurückgelegte Strecke seit Staufen: 3241 km

Zum Bericht der ersten Etappe: UpNorth001
Zum Bericht der zweiten Etappe: UpNorth002
Zum Bericht der dritten Etappe: UpNorth003
Zum Bericht der 004.2 Trekking Etappe: UpNorth004.2 
Zum Bericht UpNorth 005 

Eine detaillierte Ausrüstungsliste findest du hier:
AUSRÜSTUNGLISTE UpNorth Etappe 4