• UpNorth 006

    Finale Etappe | Bikepacking zum Nordkap

UpNorth 006 Bikepacking

( Abisko über Tromsø zum Nordkap )

Dieser Bericht ist Teil des Projekts: UpNorth | Per Rad und Wanderschuhen von der Haustüre in Staufen (Süddeutschland) bis ans Nordkap

Ein Abenteuer zwischen dem Alltag

Das muß jetzt

Der Schädel brummt mit den Lastwagen und Campern auf der E6 um die Wette. Anspannung, schlechtes Wetter, viel Verkehr. So war das weder geplant noch einkalkuliert. Für die letzten ca. 900km zum Nordkap hatte ich nur per Google und Komoot zu Hause am Schreibtisch „mal gschwind geschaut“ und gedacht: Martin, das wird schon. 
Zugegebenermaßen muß es auch. Weil: Inzwischen bin ich so weit im Norden angelangt, da ist logistisch nochmals eine Anreise mit Rad einfach zu aufwändig. Also fahre ich dicht gedrängt auf dem Randstreifen Richtung Tromsø. Am zweiten Tag von UpNorth 006 bin ich dort. Allerdings etwas „gepfuscht“ – ich habe mir einige km über Hauptstraßen per Schiff erspart. Von dort folge ich dem EuroVelo1 nach Norden.

Wetter: Optimierungsbedarf

Tromsø

Unterwegs

Belohnung

Hütte am Fjord

Nordwärts

Wetter: passt jetzt

Flow

Das Wetter macht auf und schon einige km nach der „arktischen Hauptstadt“ biege ich in ein ruhiges Seitental ab und Stimmung, Geschwindigkeit und Fahrtwind nimmt zu. Das sind die Gefühlskurven, welche Touren in dieser Art bieten und dadurch auch so besonders machen.
Und dann kommt auch der „ichbindannmalrausflow“. Recht hohe körperliche Anforderung, gepaart mit unbekanntem Terrain und vielen neuen Eindrücken macht das Projekt UpNorth einfach unfassbar gut. Natürlich wäre die Reise am Stück nochmals eine andere Herausforderung, aber eben nicht mit einem normalen Alltag und Familie in Einklang zu bringen.
Nach dem ruhigen Seitental komme ich an einen kleinen Fährhafen. Die Berge wachsen rundherum direkt aus dem Meer und es bleibt 1h Zeit, bis das Schiff einige Passagiere auf die andere Seite des Fjords bringt. Entspannt einen Kaffee und Waffel auf dem Schiff, dann geht es auch schon wieder weiter.

Zeltleben

Blick aus dem Zelt

Rentiere

Zucker immer griffbereit

Immer schön kurbeln

Immer weiter kurbeln

Die EuroVelo1 Route wird unter Radlern als eines der Highlights in Europa gehandelt. Insbesondere hier oben im Norden. Ich muss aber auch bei dieser Etappe, wie auch schon weiter südlich feststellen: Es ist einfach zu viel Verkehr auf den Straßen. Das war der Grund warum ich die letzten Etappen zu Fuß auf dem Nordkalottleden gemacht habe. Selbst hier ganz im Norden ist es mir meist zu trubelig auf den Straßen. Richtig abseits über Wanderwege ist allerdings mit dem Rad nicht möglich. Das Gelände ist zu unwegsam. Das ist zu Fuß schon herausfordernd.
So kurble ich teils 12-14h am Tag gen Norden. Der Wind ist hart gegen mich, aber alle anderen Faktoren sind mir wohl gesonnen. Meist in kurzer Hose und fast immer ohne Regenbekleidung sitze ich im Sattel und Feier am Ende des Tages immer immer das Aufbauen des Zeltes. Das ist ja nicht nur „gefühlt“ Freiheit, dass ist reale Freiheit. Du fährst morgens los, schaust wie es den Tag über so läuft und gegen Abend braucht es lediglich ein Fleckchen Erde für die mobile Behausung. Die Freiheit ist in der Praxis nicht ganz so Instagram-mäßig, weil häufig nicht der optimale Platz am Wegesrand liegt. Die Präferenzen sind da ja auch unterschiedlich. Ich bevorzuge: Alleinlage, tolle Landschaft, Trinkwasser in Reichweite, positives Empfinden am Platz. Letzteres beinhaltet auch weiche Faktoren wie Sicherheitsgefühl und Wohlfühlfaktor. Das ist nicht immer zu 100% zu finden. Aber manchmal. Und das sind die Momente für die es sich lohnt. Aber sowas von.

Aufräumen?

Camp

Vorfreude ist anders

Die Strecke zwischen Tromsø und Nordkap ist gut zu fahren und meist asphaltiert. Was mich fertig gemacht hat war der Nordkaptunnel.
Knapp 7km lang und an der tiefsten Stelle über 200m unter dem Meer. Viele Radler fahren ihn in der Nacht. Da hat es weniger Autoverkehr. Es gibt nämlich keine separate Radspur. Auf 3km Anstieg nicht zu unterschätzen.

Durch die Hölle | Nordkaptunnel
3km bergab. Ich mache die Bremse auf und lass es einfach laufen. Hinab in den dunklen Schlund. Das Getöse von Turbinen wird immer lauter. Sie sollen den Dieselgestank in der Luft hinaus transportieren. Funktioniert vielleicht bei wenig Verkehr. Ich bin aber am Nachmittag zur Hauptreisezeit unterwegs. Autos, LKW und Wohnmobile im Sekundentakt. 
Runter egal. Ich fahre mit 60 km/h hinter einem Reisebus her.
ABER: Bergauf… Ein schmaler Gehweg mit hohem Randstein gibt es. Zum Fahren fast immer zu schmal und alle paar Meter mit einem Schild in 1,20 Höhe. Absteigen. Drunter durch. Beim Absteigen fällt man aber fast auf die Straße. Also auf der Straße fahren. Blitzlicht am Heck. Im Wiegetritt mit voller Energie. Bei der Steigung mit Gepäck etwas schneller als zu Fuß. Von hinten schreit die Hupe des LKW. Klar, der kann nicht auf 10 km/h runter bremsen, dann kommt er nicht mehr in Puschen. Überholen geht wegen Gegenverkehr nicht. Ich springe auf den Randstein und Sekunden später schiebt sich der Koloss unter Volllast die Steigung hinauf. 
So geht das alle paar Minuten. Ich habe 23 Minuten für den Aufstieg im Tunnel benötigt. Ziemlich schlimme 23 Minuten.
Das Gute daran: Aus dem Tunnel raus, die Sonne knallt und ich sitze erschöpft auf einem Rastplatz mit Bank und Tisch. Koche Kaffee auf dem Gaskocher. Einer der besten Kaffee in meinem Leben.
Fazit: Himmel und Hölle sind nah beisammen. Ganz nah. Und das mit dem in der Nacht ohne Verkehr fahren, ist denke ich die einzig vernünftige Lösung. Vielleicht macht es dann sogar fast schon Spaß.

Endspurt

Nach dem Nordkaptunnel kommt kurz darauf nochmal ein recht langes Loch durch den Felsen. Aber super ausgeleuchtet und mit breitem Randstreifen. Vergnügt strampeln ich hindurch und mache in Honningsvåg im Supermarkt einen Stop. Bis zum Anschlag lade ich die Taschen mit Leckereien voll. Bis zum Kap ist es nicht mehr weit, aber ordentlich steile Berge liegen dazwischen und ich werde auf Hin- und Rückweg 2 Tage nichts einkaufen können.
Die Nacht verbringe ich inmitten der grandiosen Landschaft hier oben. Neben einem See. Nicht weit von der Straße entfernt aber ein Traumplatz. Nachts stehe ich auf und trete im Schein der aufgehenden Mitternachtssonne Richtung Nordkap.

Pausenplatz

Ein Tag am Meer

Zieleinlauf

Tiptop Setup

Traum-Camp

Landschaft? Ja – MEGA!

10/10 Lagerplatz

Sonne im Rücken

Wahnsinn

Wahnsinn. Vor ein paar Jahren bin ich in Staufen bei Freiburg los gefahren und habe mich jedes Jahr etwas über eine Woche per Muskelkraft nach Norden bewegt. Und jetzt bin ich da. Die Nebelfetzen fliegen horizontal durch die Luft. Die Weltkugel, das Wahrzeichen am Nordkap steht vor mir. Ein Kuscheltier unserer Tochter war mit in den Packtaschen – sie meinte „das ich mich nicht alleine fühle“. Wir lassen uns fotografieren und ich feiere die Ankunft in der Nordkaphalle mit Kaffee und Kuchen.
Nochmal ein wildes Camp in der Gegend und am nächsten Tag fahre ich mit em Postschiff der Hurtigroute nach Süden.

Top Tunnel ( ja – gibt es auch)

Für Warmduscher

Da.

An der Kugel – bei bestem Wetter. Danke.

Fazit

An das Nordkap zu Fuß und mit dem Rad. Ist das gut? Auf jeden Fall. Ich würde bei einer Wiederholung versuchen mindestes jeweils 2-3 Wochen Etappen zu machen. Und mehr Strecken zu Fuß. Da gibt es einfach nochmal wildere und einsamere Möglichkeiten. Aber wer zeitlich eng getaktet ist und trotzdem gerne mal eine typische Langzeit-Outdoor-Tour machen möchte, für den ist das auch mit kurzen Etappen eine eindrucksvolle Outdoor-Tour.

Infos

Etappenlänge: ca. 900 km
Zurückgelegte Strecke seit Staufen: ca. 4400 km

Für viele Radler stellt sich die Frage: Wie komme ich vom Cap zurück? Eine gute Möglichkeit ist: Bis nach Honningsvåg mit dem Rad zurück und dann per Hurtigrouten Schiff nach Süden.

Zum Bericht der ersten Etappe: UpNorth001
Zum Bericht der zweiten Etappe: UpNorth002
Zum Bericht der dritten Etappe: UpNorth003
Zum Bericht des ersten Teils der vierten Etappe: UpNorth004.1 Bikepacking
Zum Bericht der 004.2 Trekking Etappe: UpNorth004.2 
Zum Bericht UpNorth 005

Eine detaillierte Ausrüstungsliste dieser Etappe findest du hier: